Das Hamelwehr
Leben am HamelwehrBittersüße HeimatDie unerzählte Geschichte eines berüchtigten Hamelner Viertels
In der Dewezet-Serie „Die Menschen vom Hamelwehr“ erzählen wir die Geschichte der Siedlung aus der Perspektive der Bewohner.
In sechs Episoden erzählen uns Menschen in unserer Multimedia-Reportage von ihrem Leben am Hamelwehr. Um ihnen zuzuhören, SCROLLEN SIE HERUNTER UND KLICKEN SIE AUF DIE SECHS GESCHICHTEN.
Leben am HamelwehrDie Bewohner und ihre Geschichten
Sehen Sie jetzt alle Teile unserer Serie.
Die Schöns
Teil 1: Die Schöns„Die Kinder vom Nega-Dorf“
Herta Carley (81, re.), Karola Langner (84, li.; beide geborene Schöns) und ihr Bruder Alfred „Appid“ Schön (83) sind drei von insgesamt sieben Geschwistern, die dort aufgewachsen sind. Bei einem Kaffee im Wohnzimmer der Langners in der Hamelner Altstadt schwelgen sie in Erinnerungen.
Ohne Strom und ohne WasserLeben in den grauen Häusern
Fließend Wasser und elektrisches Licht gab es in den Häusern nicht. „Draußen haben wir Wasser gepumpt, in der Waschküche“, sagt Schön. „Erst später wurde da ’ne Wasserleitung gelegt. Elektrisches Licht hatten wir auch erst nicht, nur Petroleumlampen.“
Foto: Ein weiteres von sieben Geschwistern: Bruder Willi Schön mit einer Freundin vor dem Haus am Hamelwehr.
Spielplatz HamelwehrAuf dem Bolzplatz und am Wasser
Ein Paradies für Kinder"Die Kinder vom Nega-Dorf"
Foto: Marie Schön mit ihrer Enkeltochter Ilona und Enkelsohn Hans-Joachim am Hamelwehr.
Leben spielte sich draußen ab
KriegsgeschichtenAls die Kinder Kohle klauten
„Als die Bahnpolizei kam, waren wir schon längst fertig“, erzählt Schön und lacht.
Im Bild: „Appid“ mit seinem ersten neuen Fahrrad, im Rücken die Baracken.
"Gehungert haben wir nie"
Versorgung in der KriegszeitNahrung von Wald, Wiese und Wesermühle
Ihr Vater arbeitete in der Wesermühle. „Deshalb hatten wir während des Krieges immer etwas Mehl“, sagt Alfred Schön.
Schutz im BunkerLuftangriffe im Zweiten Weltkrieg
Das Hamelwehr wächst
Foto: Die Baracken, die 1950 gebaut wurden.
Leben mit den Baracken
Abschied und Hoffnung
Foto: Hochzeitsgesellschaft am Hamelwehr: 1951 heiraten Karola, geb. Schön, und Hans Langner
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Katharina Burgess
Teil 2: Katharina Burgess
Das Hamelwehr war über seine engen Grenzen hinaus bekannt. Die Hamelner nannten es auch das „Nega-Dorf“. Nega-Dorf – von der möglicherweise auch rassistischen Anspielung auf „Neger“ einmal abgesehen –, weil eine der am Hamelwehr alteingesessenen und besonders zahlreich vertretenen Großfamilien Nega hieß.
Katharina Burgess ist eine geborene Nega.
Wunderbare Kindheit am Hamelwehr
Der Zusammenhalt
Sie selbst lernte das Fahrradfahren mit dem Rad des Postboten, der im Gegensatz zu anderen nie Angst gehabt habe, beklaut zu werden, sondern seine Sachen immer einfach stehenließ. Und der im Rollstuhl sitzenden Blumenverkäufer „Opa Brath“ verwickelte sie immer in einen Schwatz. „Es war wie eine große Familie“, schwärmt Burgess.
Bei „Bäcker Kilian“ und „Gemüseverkäufer Schaumburg“, die einmal die Woche vorbeikamen, konnte man anschreiben lassen. Und sonst ist man eben zum Nachbarn gegangen. „Nur an Butter hat es uns nie gefehlt, denn für kinderreiche Familien gab es damals Buttermarken“, erzählt sie.
Stolz auf das Hamelnwehr
Nicht nur Zuckerschlecken
Unter den Sinti findet sie Freunde fürs Leben. Bis heute zählen zwei Sinteza zu ihren besten Freundinnen. Entsprechend unvoreingenommen begegnet Katharina den Neuankömmlingen, als die Sinti 1964 ans Hamelwehr ziehen. Einer ihrer Wohnwagen wird gegenüber von ihrem Haus abgestellt. „Ich weiß noch, am ersten Abend, da haben die Zigeuner vor einer Baracke ein Lagerfeuer gemacht und ,Que Sera, Sera‘ gespielt. Da habe ich mich sofort in die Zigeuner verliebt."
Foto: Hella Aukschlat, die Mutter von Katharina Burgess, mit ihren Zwillingsbabys Ilona und Harald und ihren Zwillingskindern Petra und Karsten Ende der 60er Jahre am Hamelwehr.
Der Trick mit dem Kürbis
Beinahe im Klo erstickt
Nicht alles war schön
Zudem wurde der Umgang der Bewohner untereinander mit der Zeit rauer. „Erst im Laufe der Zeit ist es am Hamelwehr richtig verwahrlost. Es kamen immer mehr Leute. Und Ratten“, erinnert sich Burgess. „Irgendwann wurde es zu wild.“ Auch den Totschlag von 1974 hat sie nicht vergessen. „Da haben sie einen zusammengetreten.“
Die Not: "Als Kind sieht man das anders"
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Die Ahrens
Teil 3: Die Ahrens
Familie Ahrens lebte von 1968 bis 1974 am Hamelwehr. In der Küche von Anneliese Ahrens haben sich an diesem Tag vier von insgesamt zehn Kindern versammelt. Zu Besuch sind die Töchter Nicole Bailey (47, von rechts), Cornelia Kartal (60), Ramona Lennox (46) und Sohn Jürgen Ahrens (51). Auch Katharina Burgess, eine Freundin der Familie, ist dabei.
Endstation Hamelwehr?
Die Ahrens ziehen zunächst in die die Baracken an der Pumpstation (Heinestraße) und schließlich am Hamelwehr. „Das war schlimm, sehr, sehr schlimm“, sagt Anneliese Ahrens. „Gleich in unserer ersten Woche da flog ein Stuhl durchs Fenster! Da dachte ich, ,Ist das hier immer so‘?!“
Eine Siedlung mit schlechtem Ruf
Besonders wenn bei einigen Bewohnern Alkohol im Spiel war, kam es öfter zu Schlägereien. Und manche Jungs kannten ihre Grenzen nicht.
Foto: Überreste der Ställe, die sich hinter den Reihenhäusern befanden, auf einem Bild von 1973. Stadtarchiv Hameln
Angst vor Diebstahl
Als der Mann von Anneliese Ahrens später wieder Arbeit hat, bei der Gummifabrik Körting, sei sein Ansehen in der Siedlung gestiegen. „Dadurch hatte er bei den anderen Bewohnern Respekt“, erzählt sie. Trotzdem: „Einer musste immer in der Wohnung bleiben, damit niemand etwas klaute.“
Feiern mit den Sinti
Auch Jürgen Ahrens erinnert sich noch an die Sinti. „Die Großfamilie Weiß war sehr bekannt dort. Sie waren aber nicht, wie viele berichten, die Schlimmsten dort. Wenn bei denen Party war, wurden alle eingeladen mit Lagerfeuer und ordentlich Musik mit Geige und Gitarre. Für uns als Kinder war das immer ein Erlebnis.“
Wie auf dem Dorf... aber mit vielen Problemen
Raus aus der Baracke
Nach ein paar Jahren konnte die Familie aus der Baracke ausziehen und in eine der älteren Notunterkünfte aus den 1930er Jahren, den Steinhäusern am Hamelwehr, ziehen. „Das war eine Verbesserung“, befindet Ahrens. „Wir hatten ein Eckhaus mit sechs Zimmern, es gab einen Garten mit einer kleinen Pforte und unseren Hund, den Seppel, der hat aufgepasst.“
Foto: Das Eckhaus in dem die Ahrens lebten auf einem Bild von 1973. Stadtarchiv Hameln
Hygiene: mangelhaft
Die hygienischen Zustände am Hamelwehr waren mitunter katastrophal. 1968 seien mehrere Babys und Kleinkindern am Hamelwehr erkrankt, sagt Kartal. Auch die einjährige Anja Ahrens. Mit Erbrechen und Durchfall kommt sie ins Krankenhaus. Sie stirbt.
Mit Freunden war es leichter
Weg vom Hamelwehr
Foto: Eines der von den Nationalsozialisten als Not- und Behelfsbauten errichteten Reihenhäuser im Jahr 1973. Stadtarchiv Hameln
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Reilo Weiß und Hartmut Pletzer
Teil 4: Reilo Weiß und Hartmut PletzerWiedersehen nach gut 50 Jahren
Reilo, der Beschützer
Von da an ließ man ihn in Ruhe. Als Pletzer einmal an eine größere Sammlung von Hansrudi-Wäscher-Comics („Sigurd“, „Akim“) kam, schenkte er sie Reilo Weiß. Der sammelt sie bis heute.
"Ich habe in zwei Welten gelebt"
„Es gab dort die Hamel und viele Kinder, das war hervorragend zum Spielen“, erinnert sich Pletzer. Er habe dort „nie Probleme“ gehabt, „auch nicht mit den Zigeunern“, im Gegenteil. In Reilo Weiß sah er einen Kumpel. „Und vor einer Baracke haben die hübschen Zigeunermädchen wie auf einer Bühne manchmal getanzt“, erinnert er sich und schmunzelt.
Für seine Freundschaften am Hamelwehr wurde er von anderen Kindern seines Alters, die nicht dort lebten, angefeindet. „,Das sind Asoziale!‘, haben die gesagt“, erzählt er. „Aber mir war das egal. Ich habe irgendwie in zwei Welten gelebt.“
Foto: Hartmut Pletzer mit etwa 16 Jahren am Hamelwehr. Im Hintergrund ist ein Schlot der Teppichwerke Oka zusehen.
Umzug ans Hamelwehr
Die älteren Sinti äußern zwar zunächst Bedenken. Auch ihnen ist der schlechte Ruf des Hamelwehrs nicht entgangen. Sie sorgen sich um ihre Kinder, aber geben am Ende ihr Einverständnis. Die meisten geben ihre Wohnwagen auf. „Am Hamelwehr, das war unsere erste Wohnung, Baracken zwar, aber für uns wie ein Palast“, sagt Bluma Weiß (87).
"Dort waren alle Sinti zusammen"
Aber da ist noch etwas. „Es war schön, weil dort alle Sinti noch zusammen waren“, sagt Weiß. „Später zogen alle in Wohnungen, über die Stadt verteilt.“ Die enge Gemeinschaft löste sich auf. Schön sei am Hamelwehr aber nicht nur das Zusammenleben der Sinti gewesen. „Jeder kannte sich“, sagt er. „Das war schön. Wäre es heute auch noch. Für mich zumindest.“
Wer sind Sinti und Roma?
Wer sind Sinti und Roma?
Die heute in Europa lebenden Sinti und Roma stammen ursprünglich aus Indien, beziehungsweise dem heutigen Pakistan. Vom 8. bis 10. Jahrhundert wanderten sie über Persien, Kleinasien und den Kaukasus (Armenien) aus. Im 13. und 14. Jahrhundert führte ihre Auswanderung über Griechenland und den Balkan nach Mittel-, West- und Nordeuropa. Vom hier aus ging es nach Amerika. Kriege, Verfolgung, Vertreibung oder aus wirtschaftlicher Not drängten die Sinti und Roma immer wieder zu neuen Wanderungsbewegungen.
Bezeichnung
Ein männlicher Sinti wird als Sinto bezeichnet, Frauen als Sintez(z)a. Sinti und Roma sind die Bezeichnungen von im gesamten Europa lebenden Minderheitengruppen. Die Bezeichnung Sinti leitete sich möglicherweise von der Region Sindh (Indus) ab. Der Begriff „Zigeuner“, wie er lange Zeit benutzt wurde, ist eine Fremdbezeichnung. Viele Sinti und Roma empfinden ihn als herabsetzenden und beleidigend.
Die Sprache der Sinti
Das Romanes, die Sprache der Roma und Sinti, ist mit dem indischen Sanskrit verwandt. Die Sprache hat im Laufe der Jahrhunderte viele Dialekte ausgebildet - bedingt durch die Wanderungsbewegungen und unterschiedlichen Heimatregionen. So spricht man etwa vom „deutschen Romanes“ und dem „ungarischen Romanes“. Viele Roma-Gruppen haben ihre Sprache ganz verloren. Dazu haben Zwangsassimilierungen und Ausgrenzung beigetragen, aber auch die Tatsache, dass es sich beim Romanes um eine vorwiegend mündliche Sprache handelt.
Religion
Eine eigene Religion haben Roma und Sinti nicht. Sie sind Mitglieder verschiedener Religionen oder auch Konfessionen. Vielfach sind sie Moslems oder Orthodoxe im europäischen Südosten, Katholiken und Protestanten in Mitteleuropa und auch Mitglieder von Freikirchen überall in der Welt.
Verfolgung durch die Nazis
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Januar 1933 wurden nicht nur die Juden, sondern auch die Sinti und Roma systematisch entrechtet. Ab 1938/39 wurde ein kriminalpolizeilicher Apparat aufgebaut, der eigens der "Zigeunerbekämpfung" diente.
Die Nazis sahen in den Sinti und Roma ein gesellschaftliches und rassisches Problem, das aus dem deutschen Volkskörper entfernt werden musste. Betroffen von der Verfolgung waren vor allem die Nomaden unter ihnen. Von den 40.000 Sinti und Roma, die im Deutschen Reich lebten, wurden Tausende in Konzentrationslager verschleppt. Andere kamen in Durchgangslager, aus denen sie während des Krieges in Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden.
Insgesamt wurden von den 35.000 bis 40.000 erfassten deutschen und österreichischen Sinti und Roma 25.000 ermordet bzw. kamen durch Erschöpfung, Hunger oder Krankheit um. Die geschätzte Zahl der Sinti und Roma, die im nationalsozialistisch besetzten Europa und den mit Hitler-Deutschland verbündeten Staaten ermordet wurden, bewegt sich zwischen 220.000 und 500.000.
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma:
http://www.sintiundroma.de/start.html
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Willi Nega
Zum Anfang"Ich weiß noch, wie er abgeholt wurde"
„Erst war alles ruhig. Ein paar Tage später klopfte es morgens um fünf an der Tür. Die SS forderte meinen Opa auf, mitzukommen, um ein paar Fragen zu beantworten. ,Ich muss zur Arbeit!‘, soll er geantwortet haben. ,Bis dahin bist du zurück‘, sagte man ihm. Am Nachmittag ist meine Oma zum Polizeirevier gegangen. ,Wo ist mein Mann?‘ – Der kann jetzt nicht.“ Unter Androhung, sie „auch noch mitzunehmen“, habe man sie fortgeschickt.
Foto: Willi Nega mit seiner Familie vor seiner Wohnung in der Ohsener Straße. Wenig später zogen sie in die Siedlung am Hamelwehr.
Spur im Internet
Der Internetseite zufolge kam Nega im August 1940 über das Außenlager Mauthausen als Zwangsarbeiter mit der Gefangenennummer 14744 ins KZ Dachau, wo er im Dezember desselben Jahres starb. Im Alter von nur 40 Jahren.
Vom Hamelwehr ins Konzentrationslager
Vom Hamelwehr ins Konzentrationslager
„Im Rahmen der Aktion ,Arbeitsscheu Reich‘ (ASR) werden im April und im Juni 1938 bei zwei Verhaftungswellen mehr als 10 000 Männer als sogenannte Asoziale in Konzentrationslager verschleppt. Das diente vor allem der Abschreckung“, erläutert Gelderblom. Die Aktion habe Landstreicher, Bettler, Prostituierte, „Zigeuner“, Trunksüchtige und Menschen mit ansteckenden Krankheiten, insbesondere Geschlechtskrankheiten, betroffen.
Den Nazis sei es dabei um die Ausschaltung eines Personenkreises gegangen, der aufgrund vermeintlich erblicher Anlagen zur Kriminalität neige. Die Nazis waren der Auffassung, dass Kriminalität erblich bedingt sei. „Es handelt sich also um so etwas wie eine rassische Generalprävention“, so Gelderblom.
Zwei Jahre später, am 7. März, wird Nega in das KZ Mauthausen überstellt, diesmal in der Häftlingskategorie „AZR“ („Arbeitszwang Reich“). Am 15. August 1940 wird er in das KZ Dachau gebracht, wo er am 22. Dezember stirbt. Die angegebene Todesursache für den 40-jährigen Familienvater von zehn Kindern: „Lungenentzündung, Versagen von Herz und Kreislauf“. „Die Behandlung dieser Häftlingsgruppe war barbarisch“, sagt Gelderblom, auch im Hinblick darauf, dass Nega in nur zweieinhalb Jahren drei KZs durchläuft.
Die letzten Briefe
Stolperstein für Willi Nega
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Geschichte vom Hamelwehr
Das Hamelwehr
Doch die Menschen, die dort lebten, waren stigmatisiert. Das Hamelwehr war ein kleines Ghetto.
In alten Dewezet-Berichten taucht das Hamelwehr (heute: Am Frettholz) vor allem im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen aufgrund von Schlägereien und Diebstählen auf.
Das Hamelwehr auf einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1966: Zu sehen sind die Reihenhäuser (Grün), die Baracken (Blau) und die „Obdachlosenunterkunft“ (Orange) sowie die Werkswohnhäuser von Hahlbrock (Gelb).
Woher kommt der Name Hamelwehr?
Der Polizeiblock
Das Foto entstand 1938 bei einem Hochwasser. Bereits drei Jahre zuvor war das Hamelwehr von einem schweren Hochwasser betroffen.
"Nega-Dorf" und "Mau-Mau-Siedlung"
Um sich von der Siedlung abzugrenzen, nannten die Bewohner der angrenzenden Werkswohnhäuser der Hahlbrockfabrik ihren Straßenabschnitt des „unteren Hamelwehrs“ vorzugsweise „oberes Hamelwehr".
Immer wieder Hochwasser
Erinnerungen aus dem Netz
Maria Hoffmann: "Ich weiß noch, dass mein Onkel mit den einzigen Fernseher hatte, man war da was los wenn Fußball war. Er kassierte von jedem 0,50 Pfennig,lach,hat sich für ihn gelohnt."
Heidi Lala: "Haben immer wieder gerne dort gespielt ,viel Freiheit , Spaß, Freude und Freunde."
Claudia Thiemann Meyer: "Der Weg zu meiner Freundin, die damals am Hamelwehr, wohnte war immer extrem schwierig, eine Art Spießrutenlauf, denn dort wohnten auch Zigeuner, deren Kinder wenig nett zu anderen waren, sie hielten einen in Gruppen an, ließen sich Sachen zeigen, die man bei sich trug und bei Gefallen nahmen sie einem die ab oder man wurde verhauen. Da ich von der Kaiserstraße kam, wählte ich den Weg Wittekindstr. und dann links an der Hamel entlang zum Freibad und weiter durch die Unterführung wo sie meist lauerten. Das spielen selbst am Hamelwehr war sehr schön, viele Kinder ganz unbedarft..ich war gerne zu Besuch dort."
Das Hamelwehr gerät in die Schlagzeilen
Die negativen Schlagzeilen zum Hamelwehr gipfeln 1974 in einem Totschlag. In der Nacht zum 30. März wird der holländische Bewohner Jan Lambeck (49) von dem 18-jährigen Willi R., der ebenfalls am Hamelwehr wohnt, mehrfach zusammengeschlagen. Einen Tag später erliegt Lambeck seinen Verletzungen.
Wer wohnte am Hamelwehr?
Ende der 1930er Jahre lebten am Hamelwehr um die 80 gemeldete Erwachsene, 1967 waren es um die 75. Dazu kommen zahllose Kinder und Jugendliche. Familien mit zehn Kindern waren keine Seltenheit.
Die Obdachlosenunterkünfte und Baracken am Hamelwehr waren nicht die einzigen im Stadtgebiet. Weitere Baracken werden in den 50er Jahren an der Ohsener Straße, an der Pumpstation (Heinestraße), am Wehler Weg und am Wilhelmsplatz gebaut. 1955 sind etwa 500 Menschen in Baracken untergebracht. Eine Zahl, die sich bis 1962 kaum ändern wird.
Nahezu zeitgleich wird mit Planung und Bau von Wohnblöcken mit Ausweichwohnungen begonnen. 1952 entstehen etwa 20 Sozialbauwohnungen in der Grimsehlstraße, 50 weitere später am Reimerdeskamp. Die bis heute bekannteste Siedlung dieser Art ist der Kuckuck.
Erinnerungen aus dem Netz
Maria Hoffmann: "Meine Oma Lina war ihre Freundin."
Klara Grant: "Ja, der Herr Braht hatte doch im Rollstuhl gesessen und Blumen verkauft."
Jürgen Ahrens: "Bin dort groß geworden!....habe noch sehr viele Erinnerungen von der Zeit als ich da Lebte!"
Nicole Bailey: "Ja, eine Erinnerung werde ich niemals vergessen. Du hast mir damals am Hamelwehr mein Leben gerettet ."
Lili Lui: "Wer kennt noch die ehemaligen Firmenwohnungen am Hamelwehr? Kutscher Meier als DIE Kneipe am Hamelwehr? Mit seiner Eisbox fuer das Bier? Die Karnickelstaelle bei den Garagen!!!!!?"
Erinnerungen aus dem Netz
Didi Kami: "Ich war da jedes Wochenende...habe die Jungs zumFußball HSC Hameln abgeholt."
Petra Aukschlat: "Bin auch dort aufgewachsen, habe leider aber keine große Erinnerung mehr, nur an eine für mich als Kind gruselige Geschichte, am Wegesrand stand ein alter verlassener Wohnwagen , Türen und Fenster waren weit auf und der Wind spielte mit den zerrissenen Vorhängen und meine Mutter sagte immer, wenn du nicht artig bist bringe ich dich zum schwarzen Mann der wohnt nämlich da dass war echt ängstlich und abends hatte ich echt immer angst gehabt dort lang gehen zu müssen."
Foto: Ein großes Fischsterben in der Fluthamel lockte 1959 viele Kinder vom Hamelwehr an das Gewässer.
Aus der Dewezet
12.02.1935
Neue Siedlung
21.02.1939
Neue Obdachlosenunterkunft
21.12.1949
Lagerleben
26.01.1953
Obdachlosenunterkunft
01.07.1955
Kein Platz für Obdachlose
25.02.1966
Trostlose Zustände
09.03.1967
Leserbrief: "Hamelns Slums"
16.01.1968
Hochwasser
17.01.1968
Hochwasser
02.04.1974
Tod nach Misshandlung
02.06.1987
Kindheit am Wehr
Alle Teile der Serie
Andreas Hentrich
Teil 5: Andreas Hentrich
Leben am Hamelwehr
Die offizielle Anschrift der Hentrichs lautete "Am unteren Hamelwehr". Später wurde dieser Straßenabschnitt dann in Hahlbrockweg umbenannt. Aber um sich von der verrufenen Siedlung nebenan abzugrenzen, sprach man bis dahinvorzugsweise vom "oberen Hamelwehr".
"Sag, du bist vom oberen Hamelwehr!"
Im Bild Andreas Hentrich (links) mit seinem Vater Okar Hentrich und Bruder Mathias Hentrich.
Polizeibesuch am "unteren Hamelwehr"
Über die Brücke
An die Fluthamel am Ende der Straße durfte Hentrich allerdings nicht. Dazu hätte er nämlich die berüchtigten Sozialbauten durchqueren müssen. Für den kleinen Andreas war an der Grenze zur "Nega-Siedlung" Schluss.
Die bunte Hamel
Ein neues Heim
Andreas Hentrich betrat nie die "Nega-Siedlung". "Ich habe mich vor den anderen Kindern, die dort in Massen spielten immer in Acht genommen. Die waren immer etwas wilder." Seine Welt reichte allenfalls noch über den angrenzenden Bahndamm hinaus.